Interview Evelina Raselli
«Der Spass am Eishockey muss immer im Mittelpunkt stehen»
Immer mehr Mädchen entdecken den Eishockeysport, wobei sie im Jugendalter auch mit den Jungs zusammen trainieren und spielen können. Sofern kein Mädchenteam vorhanden ist. Eine, die schon als junges Mädchen vom Eishockeyvirus befallen war, ist Evelina Raselli. Im heimischen Puschlav, in Celerina, St. Moritz, Arosa, Lugano, lernte sie das schnelle Spiel auf dem Eis, spielte in Knaben-Teams, wurde schliesslich mehrfache Schweizermeisterin und Nationalspielerin. Höhepunkt war der Gewinn der Bronzemedaille mit der Schweiz an den Olympischen Spielen von 2014 in Sotschi. Letztes Jahr war sie noch Assistenztrainerin der U-18-Nati und der HC Davos-Frauen, nun ist sie neu Headcoach des Teams aus der höchsten Schweizer Spielklasse. Wir haben Evelina Raselli ein paar Fragen stellen dürfen zu ihrem Werdegang und den Herausforderungen für Mädchen im Eishockeysport.
Evelina, Du bist jetzt Trainerin der HC Davos Frauen, hättest Du je erwartet, diesen Schritt machen zu können?
Evelina Raselli: Dass der Schritt schon in dieser Saison kommt, hätte ich ehrlich gesagt nicht erwartet. Langfristig war der Wechsel vom Assistant- zum Head-Coach aber definitiv ein Ziel von mir
Das Frauen-Eishockey hat sich inzwischen besser etabliert, was müsste getan werden, um es noch sichtbarer werden zu lassen?
Ja, ich bin überzeugt, dass der Einstieg mehrerer NL-Clubs dem Frauen-Eishockey enorm geholfen hat. Man bekommt dadurch Zugang zu Top-Infrastrukturen – das ist ein riesiger Schritt. Jetzt geht es aber darum, dass es nicht bei diesem ersten Schritt bleibt, sondern dass jedes Jahr weiter investiert wird: in die Professionalisierung, aber genauso auch in Nachwuchsprogramme und Hockey-Schulen für junge Spielerinnen.
Inwiefern hat die Frauen-Fussball-EM mit ihrem Erfolg auch dem Frauen-Eishockey geholfen?
Ich war beim Finale in Basel live dabei – die Stimmung im Stadion war echt stark. Es war schön zu sehen, wie gut das bei der Bevölkerung angekommen ist und welche Euphorie entstanden ist. Das hat es nochmal deutlich gemacht: Auch im Frauen-Mannschaftssport steckt riesiges Potenzial, was Aufmerksamkeit und Emotionen angeht. Diesen Schwung gilt es jetzt mitzunehmen



Du bist im Puschlav aufgewachsen, in einer eishockeyverrückten Familie. Deine Brüder haben gespielt, du bist als unerschrockenes Mädchen bei den Jungs ins Training und Spiel gegangen. Auch beim EHC St. Moritz. Magst Du Dich noch an diese Zeit erinnern? Was ist Dir aus jener Zeit besonders geblieben?
Ich war als Kind extrem aktiv, am liebsten draussen in Bewegung – egal ob mit dem Ball, auf dem Velo oder auf dem Eis. Meine zwei älteren Brüder waren da natürlich auch Vorbilder – was sie gemacht haben, wollte ich auch machen. Und da direkt vor unserem Haus ein Natureisfeld war, war ziemlich schnell klar: Jede freie Minute verbringe ich auf dem Eis. Das hat sich dann irgendwie ganz natürlich entwickelt.
Du bist früh von zu Hause weg, so auch ins Tessin. Wie war das für Dich?
Dass ich damals die Chance bei den HC Lugano Ladies bekommen habe, war ein echtes Highlight. Im Teamsport verbringt man unglaublich viel Zeit miteinander, man geht gemeinsam durch Höhen und Tiefen – da entstehen tiefe Freundschaften fürs Leben. Ich hab’s immer geliebt, Teil eines Teams zu sein. Klar musste ich früh selbständig sein, hatte aber immer vom Team sehr viel Unterstützung und ich habe früh gelernt Verantwortung zu übernehmen.
Du bist mehrfache Schweizer Meisterin, hast lange in der Nationalmannschaft gespielt, Olympiabronze in Sotchi gewonnen. Wie blickst Du auf diese Zeiten zurück?
Es war definitiv eine coole Zeit. Was für mich aber am meisten bleibt, sind die Geschichten dahinter – die Erlebnisse mit dem Team, Saison für Saison. An viele Spiele erinnere ich mich ehrlich gesagt gar nicht so genau, aber an die Partys danach umso mehr! Aber ja, weil ich absolut nicht verlieren kann, waren Titel und Medaillen natürlich umso schöner.
Es gibt immer mehr Mädchen, die sich für den Eishockeysport interessieren. Was rätst Du ihnen?
Ich glaube, der Spass muss immer im Mittelpunkt stehen – das ist die Basis dafür, dass man eine echte Leidenschaft entwickelt. Wenn der Spass da ist, kommt der Ehrgeiz fast von selbst. Ich finde es aber auch wichtig, dass man sich Zeit nimmt und Schritt für Schritt vorgeht. Grosse Träume zu haben ist super – aber man sollte die einzelnen Schritte realistisch und bewusst gehen.
Viele Mädchen trainieren und spielen zuerst mit den Buben zusammen, was müssen sie tun im Umgang mit den Jungs?
Das ist sehr individuell. Ich war einfach mit meinen Schulfreunden auf dem Eis, da musste ich nie überlegen, wie ich mich verhalte. Bis zur Pubertät ist das oft kein Thema – danach sollte man gut hinschauen, was für die Spielerin am besten passt: ob weiter bei den Jungs, ein Wechsel ins Frauenteam oder eine Mischung aus beidem.
Dein persönlicher Wunsch für die Eishockeyfrauen in der Saison 2025/26? Beim HCD und beim Nachwuchs?
Ich wünsche allen eine verletzungsfreie Saison und freue mich mega auf alles, was kommt. Ich hoffe, dass alle Teams in den entscheidenden Spielen ihr volles Potenzial abrufen können – und am Ende werden wir sehen, wofür es gereicht hat.
Interview: Stephan Kiener
Evelina Raselli ist …..fache Nationalspielerin, Olympische Bronzemedaillengewinnerin und heute HCD-Frauen-Chefcoach. Sie hat u.a. einst auch im Nachwuchs des EHC St. Moritz das Eishockey-ABC erlernt.